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Verdachtsobjekt „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“

Im Mai 2021 hat der Niedersächsische Verfassungsschutz die „Demokratiefeindliche und/oder sicherheitsgefährdende Delegitimierung des Staates“ zum Verdachtsobjekt nach § 7 Niedersächsisches Verfassungsschutzgesetz bestimmt und 2023 um weitere zwei Jahre verlängert.

Personenzusammenschlüsse und Einzelpersonen, die dem Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ zugerechnet werden, verfolgen das Ziel, wesentliche Verfassungsgrundsätze außer Kraft zu setzen oder die Funktionsfähigkeit des Staates oder seiner Einrichtungen zu beeinträchtigen. Sie setzen demokratische Entscheidungsprozesse und Institutionen herab oder rufen dazu auf, behördliche oder gerichtliche Anordnungen und Entscheidungen zu ignorieren. Diese Form der Delegitimierung erfolgt regelmäßig nicht über eine offene Ablehnung der Demokratie, sondern über eine ständige Verächtlichmachung von und Agitation gegen demokratisch legitimierte Repräsentantinnen und Repräsentanten und die Institutionen des Staates.

Dieses Vorgehen geht weit über zulässige Formen der Kritik an Politik und Staat hinaus. Es versucht vielmehr, die demokratische Ordnung zu untergraben, indem es das Vertrauen in das staatliche System insgesamt erschüttert und so dessen Funktionsfähigkeit gefährdet. Erst eine systematische, einer restriktiven Erheblichkeitsschwelle unterliegende Delegitimierung begründet eine Verfassungsschutzrelevanz. Eine derartige Agitation steht im Widerspruch zu elementaren Verfassungsgrundsätzen, insbesondere dem Demokratie- und dem Rechtsstaatsprinzip. Sie durchbricht damit die Schranken der Meinungsfreiheit.

Um die Verhältnismäßigkeit sicherzustellen und eine konkrete Zuordnung zum Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ vorzunehmen, wurden im Verfassungsschutzverbund bestimmte Zuordnungskriterien festgelegt. Dies dient u. a. dazu, den besonderen Schutz der Grundrechte auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit zu berücksichtigen.

Zuordnungskriterien sind u. a.

  • Die agitatorische Verächtlichmachung des Staates: Gemeint ist etwa die ständige diffamierende Gleichsetzung der Bundesrepublik Deutschland mit Diktaturen, etwa dem NS- oder dem DDR-Regime.

  • Politisch motivierte Gewaltandrohungen bis hin zu Mordaufrufen gegen Vertreterinnen und Vertreter der Demokratie bzw. der staatlichen Institutionen, etwa im Rahmen sogenannter „Hausbesuche“, also martialisch inszenierter Versammlungen in direkter Wohnortnähe von Politikerinnen und Politikern oder anderen zum Feindbild erklärten Personen.

  • Der Aufruf zur Inanspruchnahme eines vermeintlichen Widerstandsrechts gegen den als Diktatur oder autoritäres Regime betrachteten Staat oder seine Institutionen.
  • Die Verbreitung und Nutzung von Verschwörungstheorien, die extremistische Elemente aufweisen und sich gegen das demokratische System wenden. Hierunter fallen insbesondere Verschwörungstheorien, die ein „Freund-Feind-Denken“ fördern und das Vertrauen der Bevölkerung in Demokratie und Rechtsstaat erschüttern sollen.

Im Ergebnis richten sich die Akteure im Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ insbesondere gegen das Demokratieprinzip und den demokratischen Rechtsstaat (Art. 20 GG) sowie in Teilen gegen die im Grundgesetz verbrieften Freiheits-, Gleichheits- und Menschenrechte (Art. 1 – 4 GG). Es bestehen tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Bestrebung und damit die Voraussetzungen für eine Beobachtung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 NVerfSchG.

Die beobachteten Personen und Gruppierungen akzeptieren keine demokratischen Regulierungsmechanismen und erkennen faktenbasierte Entscheidungsprozesse nicht an. Die staatlichen Institutionen werden in sicherheitsgefährdender Weise verächtlich gemacht. Es zeichnet sich ab, dass eine Orientierung an Verschwörungstheorien die Grundlagen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beeinträchtigen. Es werden Forderungen nach einem Sturz der Regierung laut. Zum Teil wird Gewalt als legitimes Mittel in der politischen Auseinandersetzung befürwortet.

Die „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ stellt einen Extremismus sui generis (also: eigener Art) dar. Ihn kennzeichnet die fundamentale Ablehnung des demokratischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. Im Gegensatz zum Rechtsextremismus fehlt jedoch die konkrete Vorstellung eines alternativen Staatsmodells.



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