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Linksextremismus

Einführung

Für die Ideologie des deutschen Linksextremismus sind die beiden ideengeschichtlichen Grundströmungen des 19. Jahrhunderts, Marxismus und Anarchismus, fundamental. Linksextremisten greifen die in der amerikanischen Menschenrechtserklärung von 1776 und in der Französischen Revolution proklamierten Werte Freiheit und Gleichheit in radikaler Zuspitzung auf und wollen den demokratischen Rechtsstaat auch auf revolutionärem Wege überwinden, um ihn durch eine klassenlose bzw. herrschaftsfreie Gesellschaft zu ersetzen. Kommunistische Gruppierungen wollen das bestehende politische System überwinden und streben über die Errichtung einer Diktatur des Proletariats unter Führung einer "proletarischen Avantgarde" eine klassenlose Gesellschaft an.

Marxistisch-Leninistische Organisationen wie die Deutsche Kommunistische Partei (DKP), die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD), aber auch die extremistischen Teile der Partei DIE LINKE. halten daher an der Idee einer Revolution der Arbeiterklasse fest. Demgegenüber propagieren anarchistische Gruppierungen die Überwindung des bestehenden politischen Systems auf dem Wege massenhaften zivilen Ungehorsams und vorbildhafter Selbstorganisation. Ziviler Ungehorsam ist insbesondere bei den "gewaltfreien" Anarchisten der Verstoß gegen ein Gesetz aus Gewissensgründen; dabei wird bewusst in Kauf genommen, dafür bestraft zu werden. Linksextremistische Organisationen stimmen in der Notwendigkeit einer revolutionären Veränderung der bestehenden Verhältnisse überein, die das internationale Zusammenwirken aller revolutionären Kräfte erfordert (Internationalismus).

Kommunismus und Anarchismus unterscheiden sich in der Bewertung der Freiheitsrechte. Überdeckt der übersteigerte Gleichheitsbegriff kommunistisch ausgerichteter Organisationen die individuellen Freiheitsrechte, lehnen anarchistische Gruppierungen staatliche Organisation und damit Machtstrukturen (Hierarchien) generell ab. Beide Richtungen orientieren sich an der Utopie einer klassen- bzw. herrschaftsfreien Ordnung, d. h. der vollkommenen Befreiung des Menschen von allen gesellschaftlichen, politischen, ökonomischen und kulturellen Zwängen. Anarchisten, die in ihrem konkreten politischen Handeln diesen utopischen Entwurf vorzuleben versuchen, verneinen auf Zwang beruhende Zwischenstadien zur Realisierung dieser klassenlosen Gesellschaft wie die von Kommunisten angestrebte Diktatur des Proletariats. Das westliche Gesellschaftsmodell, d. h. die Marktwirtschaft sowie der demokratische Rechtsstaat und die ihn repräsentierenden Mächte, allen voran die USA und ihre Verbündeten, stehen für den Gegenentwurf zum ideologischen Weltbild der Linksextremisten und sind so eines ihrer zentralen Feindbilder.

Die wechselweise als kapitalistisch oder neoliberal bezeichnete westliche Wirtschaftsordnung wird grundsätzlich als Ausbeutung des Menschen durch den Menschen abgelehnt. Linksextremisten wollen dem ihrer Meinung nach "entfesselten Kapitalismus" Einhalt gebieten und fordern, wie z. B. die Interventionistische Linke (IL) auf ihrer Internetseite, "Make capitalism history!". Ihre Kritik konzentriert sich vor allem auf die Großkonzerne, die NATO und ihre Führungsmacht, die USA. Die Verantwortung für internationale Konflikte und Krisen verorten sie im Westen (Siehe Kapitel 3.4, Abschnitt "Kampf gegen Faschismus").


Aktuelle Entwicklungen im Linksextremismus

Wie in den Jahren zuvor wurde auch im Berichtsjahr 2023 die Entwicklung des Linksextremismus von der autonomen Szene bestimmt. Als Reaktion auf die bereits seit den 1990er Jahren zunehmende interne Kritik an der Theorieferne, der Unorganisiertheit und der Selbstbezogenheit der autonomen Bewegung sind Teile von ihnen weiter bestrebt, der Ideologie-, Organisations- und Bündnisfrage mehr Raum zu geben. Vor diesem Hintergrund sind in den letzten zwei Jahrzehnten bundesweit verschiedene sich als postautonom verstehende Bündnisse entstanden.

Um an das demokratische Spektrum anschlussfähig zu sein, greifen „Autonome“, insbesondere „Postautonome“, Themen auf, die wie der Klimaschutz bis weit in die Mitte der Gesellschaft anschlussfähig sind und viele Menschen zum zivilgesellschaftlichen Engagement herausfordern. Dabei wähnen sie sich im Einklang mit der Mehrheitsgesellschaft. Vor diesem Hintergrund ist eine zunehmende Entgrenzung des Linksextremismus in die Mitte der Gesellschaft bei gleichzeitiger Erosion der Abgrenzung des demokratischen Spektrums gegenüber Linksextremisten nicht zu übersehen. Insofern ist der mittlerweile auch im Rechtsextremismus konstatierte Prozess einer Entgrenzung im Linksextremismus bereits Realität.

Im Gegensatz zum demokratischen Protest, der frei ist von system­überwindenden Forderungen, basiert der linksextremistische auf ideologischen Grundannahmen, für die eine prinzipielle Gegnerschaft zum politischen System der Bundesrepublik und seiner Wirtschaftsordnung kennzeichnend ist. Linksextremisten dienen Themen wie „Antifaschismus“, „Antirepression“, „Antigentrifizierung“, „Antimilitarismus“ „Antirassismus“ oder insbesondere in den letzten Jahren der Einsatz für den Klimaschutz daher vor allem als Plattform für ihren Kampf gegen den demokratischen Rechtsstaat. Auch niedersächsische Linksextremisten sind in diesen Themenfeldern aktiv, wobei der „Kampf gegen den Faschismus“ und derjenige gegen den „Kapitalismus“ für sie zwei Seiten einer Medaille sind und aus diesem Grunde auch im Vordergrund stehen. Denn erst wenn der Kapitalismus als „Wurzel allen Übels“ überwunden ist, lassen sich ihrer Auffassung nach „Faschismus“ und alle anderen gesellschaftlichen Probleme lösen.

Nach dem weitgehenden Ende der Corona-Pandemie stand das Jahr 2023 vor allem im Zeichen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und seinen Folgen. Während im dogmatischen Linksextremismus – wie ihn die „Deutsche Kommunistische Partei“ (DKP) verkörpert – insbesondere die Rolle des Westens und somit der USA und damit verbunden die der NATO heftig kritisiert wurde, lehnte die autonome Szene Niedersachsens die Intervention Russlands in die Ukraine zwar ab und solidarisierte sich mit deren Bevölkerung, nicht aber mit dem ukrainischen Staat. Zudem gab sie nicht nur Russland, sondern auch den USA und damit verbunden der NATO eine Mitschuld für die Eskalation in diesem Krieg. Neben diesem Krieg beschäftigte im letzten Jahresviertel auch der mit dem Angriff der terroristischen HAMAS auf Israel am 07.10.2023 ausgelöste Nahost-Krieg die linksextremistische Szene. Der alte Konflikt zwischen antideutsch und antiimperialistisch ausgerichteten Autonomen trat dabei wieder deutlich zu Tage. Während sich die antideutsche Szene bedingungslos mit dem Staat Israel und seinen Bürgerinnen und Bürgern auch durch die Teilnahme an pro-israelischen Demonstrationen solidarisierte, ergriffen die Antiimperialisten ebenso wie die dogmatischen Linksextremisten, z. B. aus der DKP, Partei für die Palästinenser. Sie beteiligten sich an deren bundesweiten Solidaritätsdemonstrationen und kritisierten Israel unter Ausblendung der Verbrechen der HAMAS.

Die linksextremistisch motivierten Übergriffe auf Rechtsextremisten bzw. diejenigen, die Linksextremisten dafür halten, bildeten auch 2023 einen Schwerpunkt der linksextremistischen Aktivitäten. Dabei zeigte sich, dass die Hemmschwelle von Linksextremisten zur Anwendung von Gewalt – auch gegenüber Menschen – weiterhin niedrig ist.

Darüber hinaus thematisiert die autonome Szene auch künftig den Klimaschutz und versucht, an die nichtextremistische Klimaschutzbewegung anschlussfähig zu werden. An dieser Stelle ist eine zunehmende Entgrenzung des Linksextremismus in Teile der Klimaschutzbewegung nicht zu übersehen. Vor allem die linksextremistische „Interventionistische Linke" (IL) ist hier zu nennen.[1]

Im Bereich des parteigebundenen Linksextremismus setzte sich die zunehmende politische Bedeutungslosigkeit der orthodox marxistisch-leninistisch ausgerichteten Parteien DKP und „Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands“ (MLPD) auch 2023 fort. Neben kontinuierlich schwachen Wahlergebnissen von deutlich unter einem Prozent leiden beide Parteien seit Jahren unter einer massiven Überalterung ihrer Mitglieder und einer Stagnation der Mitgliederzahlen auf niedrigem Niveau. Sowohl die DKP als auch die MLPD sind in der niedersächsischen Öffentlichkeit kaum wahrnehmbar und spielen für die Beurteilung des linksextremistischen Gesamtpotenzials nur eine untergeordnete Rolle.

Die beiden offen extremistischen Zusammenschlüsse in der Partei „DIE LINKE.“, die „Kommunistische Plattform“ (KPF) und die „Antikapitalistische Linke“ (AKL), streben nach wie vor, wenn auch in unterschiedlicher Ausführung und Intensität, die Überwindung der bestehenden politischen Ordnung der Bundesrepublik an und wollen diese durch ein sozialistisches bzw. kommunistisches System ersetzen. Um dieses Ziel zu erreichen, versuchen sie Einfluss auf das politische Profil der Partei „DIE LINKE.“ und deren inhaltliche Ausrichtung zu nehmen. So beteiligen sich ihre Mitglieder beispielsweise mit eigenen Delegierten an den Parteitagen der Partei „DIE LINKE.“ und bringen sich dort mit eigenen Anträgen ein. Diese Vorgehensweise dient ihnen dazu, die Deutungshoheit bei bestimmten Themen, wie dem Umgang mit der SED-Diktatur, zu erlangen. Aus diesem Grunde geht der Niedersächsische Verfassungsschutz davon aus, dass die beiden extremistischen Zusammenschlüsse der Partei „DIE LINKE.“ auch 2023 versuchen werden, Einfluss auf ihre Partei in Niedersachsen auszuüben. Welchen Einfluss die extremistischen Zusammenschlüsse der Partei „DIE LINKE.“ nach dem Zerfall ihrer Bundestagsfraktion und dem Austritt zahlreicher Bundestagsabgeordneter noch auf die Gesamtpartei haben werden, bleibt abzuwarten.



[1] Siehe im Einzelnen Kapitel 3.4, Abschnitt „Klimaschutz”.

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Weitergehende Informationen zum Linksextremismus entnehmen Sie bitte dem untenstehenden Kapitel des aktuellen Verfassungsschutzberichtes. Ebenso finden Sie hier den aktuellen gesamten Verfassungsschutzbericht sowie die Broschüre "Vom Autonomen zum Postautonomen?" sowie den Flyer "Linksextremismus"

  Kapitel 3 - Linksextremismus
(PDF, 0,40 MB)

  Verfassungsschutzbericht 2023
(PDF, 4,71 MB)

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