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Extremismus mit Auslandsbezug

In Niedersachsen existieren weitere Erscheinungsformen des Extremismus, die einen starken Bezug zum Ausland aufweisen. Diese Erscheinungsformen des politischen Extremismus werden unter der Bezeichnung „Extremismus mit Auslandsbezug“ zusammengefasst, sofern sie nicht im Zusammenhang mit islamistischen Ideologien stehen.

Im Unterschied zum Islamismus liegt die Zielsetzung dieser Gruppen überwiegend in der Durchsetzung linksextremistischer, separatistischer oder nationalistischer bzw. rassistischer Vorstellungen, die regelmäßig auf radikale Veränderungen der politischen Verhältnisse in den Heimatregionen abzielen. Die Situation im Herkunftsland ist dabei richtungsweisend für die Intensität des Auftretens und auch das Militanzniveau in Deutschland. Extremistische türkische und kurdische Gruppierungen bilden in Niedersachsen den Schwerpunkt der Beobachtung.

Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder verstehen unter Extremismus mit Auslandsbezug daher nichtislamistische, aber extremistische Aktivitäten von Personen, wenn
  • ƒƒin Deutschland entsprechende politische Auseinandersetzungen mit Gewalt ausgetragen werden und dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet wird,
  • ƒƒdiese sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung wenden,
  • ƒƒvom Bundesgebiet ausgehende Gewaltaktionen in anderen Staaten durchgeführt oder vorbereitet und dadurch auswärtige Belange der Bundesrepublik gefährdet werden oder
  • ƒƒBestrebungen verfolgt werden, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind.
Die in Deutschland agierenden Gruppierungen werden i. d. R. durch politisch-strategische Vorgaben aus dem Heimatland gesteuert. Deutschland wird dabei in erster Linie als sicherer Rückzugsraum betrachtet, in dem Geld gesammelt, rekrutiert, mobilisiert und propagiert werden kann und von dem aus gewaltsame Aktionen im eigentlichen Bezugsland vorbereitet werden können. In Abhängig keit der Entwicklung im Heimatland ist gelegentlich auch mit gewalttätigen Aktionen in Deutschland zu rechnen. Die Propaganda für die jeweilige politische Vorstellung und Mobilisierungsaktionen, etwa für Demonstrationen, gehen dabei Hand in Hand und werden überwiegend über das Internet verbreitet. Soziale Netzwerke (z. B. Facebook) und Messenger-Apps (z. B. WhatsApp) dienen darüber hinaus der Gewinnung neuer Sympathisierender und Mitglieder. Auch Konflikte zwischen den widerstreitenden Gruppierungen treten in Deutschland auf und werden sowohl durch Propaganda als auch durch Gewaltanwendung sichtbar.


Aktuelle Entwicklungen im Extremismus mit Auslandsbezug

Schwerpunkt der Beobachtung beim Extremismus mit Auslandsbezug in Niedersachsen bleibt auch im Jahr 2023 die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK). Wie bereits in den Vorjahren wurden die großen Reizthemen, wie die Sorge um den Gesundheitszustand des in der Türkei lebenslang inhaftierten PKK-Führers Abdullah Öcalan und das Vorgehen des türkischen Militärs in den kurdisch besiedelten Gebieten, immer wieder durch die PKK-Anhängerschaft in Deutschland aufgegriffen. Von dem auf der türkischen Insel Imrali seit 1999 inhaftierten PKK-Führer Abdullah Öcalan fehlt seit dem 25.03.2021 jegliches Lebenszeichen. Parallel zur Kampagne gegen die türkische Militäroffensive in Nordsyrien startete daher am 09.10.2023 die europaweite PKK-Kampagne "Freiheit für Öcalan, eine politische Lösung für die kurdische Frage" vor dem Europarat in Straßburg.

Außerdem bleibt auch die Hoffnung der PKK auf Streichung von der EU-Terrorliste und eine Aufhebung des Betätigungsverbots in Deutschland aufgrund ihres jahrelangen Einsatzes für die Anti-IS-Koalition in Syrien und im Irak ein inhaltlicher Schwerpunkt der öffentlichen Aktionen.


„Ülkücü (Idealisten-)Bewegung“

Die türkische rechtsextremistische "Ülkücü (Idealisten)-Bewegung" tritt als sogenannte unorganisierte freie Szene in den Sozialen Medien mit einer nach westeuropäischem Rechtsverständnis nationalistischen und rassistischen Ideologie auf. Sie bildet dabei regelmäßig einen absoluten Gegenpol zu den von "Ülkücü" als separatistisch empfundenen ethnischen Minderheiten in der Türkei und auch in Deutschland. Die „Ülkücü-Szene“ bildet zusammen mit drei deutschlandweit agierenden Dachverbänden und ihren angeschlossenen regionalen Vereinsstrukturen ein ausgesprochen großes Anhängerpotenzial.

Auch in Deutschland stehen sich die gegensätzlichen türkischen und kurdischen Gruppierungen mit ihren widerstreitenden Ideologien gegenüber.

Seit Jahren führte das militärische Vorgehen der Türkei in den kurdischen Siedlungsgebieten in Syrien und im Nordirak zu massiven Protesten von PKK-Aktivisten in Europa und auch zu Spannungen zwischen den Anhängerinnen und Anhängern der rechtsextremistischen "Ülkücü-Bewegung" und der PKK.

Agitation und auch Konfrontation waren auch 2023 maßgeblich geprägt durch die genannten Reizthemen. Jegliche öffentlichkeitswirksamen Aktionen der PKK-Anhängerschaft laufen Gefahr einer – zumeist spontanen – Kontroverse. Mit dem Ende der Corona-Pandemie zeigte sich der öffentliche Aktionismus 2023 weniger eingeschränkt als noch im Vorjahr und ließ wieder mehr Veranstaltungen zu. Sowohl die Kommunikation untereinander als auch Konfrontationen zwischen den Gruppierungen nahmen in der digitalen Welt weiterhin zu.

Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi, DHKP-C)

Auch linksextremistische türkische Gruppierungen werden vom Niedersächsischen Verfassungsschutz beobachtet. Die "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" ("Devrimci Halk Kurtulus Partisi Cephesi", DHKP-C) kämpft für die proletarische Revolution und die Umwandlung des türkischen Staates in eine marxistisch-leninistische Diktatur. Bei Attentaten, die seit Gründung der DHKP-C (1994) begangen wurden, kamen nach Angaben türkischer Stellen über 200 Menschen ums Leben. In Deutschland wurde die DHKP-C 1998 verboten, seit 2002 wird sie von der Europäischen Union als terroristische Vereinigung gelistet. Trotz des Verbots agiert die DHKP-C bis heute in Deutschland und nutzt dabei die Popularität der Musikgruppe "Grup Yorum", um ihre Anhängerinnen und Anhänger zu mobilisieren und ideologisch im Sinne der DHKP-C zu indoktrinieren

Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei

Ebenfalls aktiv sind die türkische "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" ("Marksist Leninist Komünist Partisi", MLKP) sowie die "Kommunistische Partei der Türkei/Marxisten-Leninisten" ("Türkiye Komünist Partisi/Marksist Leninist", TKP/ML). Beide Organisationen bekennen sich zum revolutionären Marxismus-Leninismus und fordern die Zerschlagung des türkischen Staatswesens.

In Niedersachsen, wie auch im weiteren Bundesgebiet, ist ein stärkeres Auftreten der jeweiligen Jugendorganisationen der linksextremistischen türkischen Gruppierungen zu beobachten. Ziel ist es, eine Anschlussfähigkeit an deutsche linke und migrantische Gruppen zu verfestigen, um die eigenen Anliegen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Dies geschieht über Themen wie Klimaschutz, Migration oder die Rechte von Minderheiten.


Extremismus mit Auslandsbezug   Bildrechte: ÖA13
Extremismus mit Auslandsbezug

Weitergehende Informationen zum Extremismus mit Auslandsbezug entnehmen Sie bitte dem untenstehenden Kapitel des aktuellen Verfassungsschutzberichtes. Ebenso finden Sie hier den aktuellen gesamten Verfassungsschutzbericht.

  Kapitel 5 - Extremismus mit Auslandsbezug
(PDF, 0,23 MB)

  Verfassungsschutzbericht 2023
(PDF, 4,71 MB)

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